In Ländern wie Bulgarien oder Bangladesch macht die hochmobile Textilindustrie einen grossen Teil der Exporte aus. Aufgrund des internationalen Wettbewerbdrucks betreiben die lokalen Regierungen oft eine aggressive Standortwettpolitik, die sich insbesondere in niedrigen Mindestlöhnen äussert. Ohne die Verpflichtung der Modefirmen, Existenzlöhne zu bezahlen, ändert sich also nichts.
Das Recht auf einen Existenzlohn ist in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Staaten sind verpflichtet, Menschenrechte zu schützen. Sie müssen also den gesetzlichen Mindestlohn auf einem existenzsichernden Niveau festlegen. Tun sie dies nicht, dürfen Unternehmen diesen Umstand nicht ausnutzen. Die UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte legen fest, dass Unternehmen Menschenrechte respektieren müssen, selbst dann, wenn das Produktionsland diese nicht (ausreichend) schützt. Die Verpflichtung, einen Existenzlohn zu bezahlen, gilt also für jede Modefirma und in jedem Produktionsland.
Ja, die TextilarbeiterInnen brauchen die Jobs. Mit existenzsichernden Löhnen hätten sie aber auch eine Perspektive. Bei einem Lohnanteil von 0.5.-3% am Verkaufspreis täten höhere Löhne den Markenfirmen nicht wirklich weh, und uns Konsumierenden auch nicht (siehe Mythos 5).
Die Auslagerung der Produktion in Tiefstlohnländer wird mit der Schaffung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt. Doch die tiefen Löhne bringen weder den ArbeiterInnen noch der lokalen Wirtschaft den erhofften Fortschritt. Im Gegenteil: Armut wird zementiert und ArbeiterInnen sind gefangen in einem Teufelskreis aus tiefen Löhnen, Überstunden, Schulden und Abhängigkeiten, die es ihnen erschweren, sich für ihre Rechte einzusetzen. Erst wenn Markenfirmen Existenzlöhne bezahlen, ist «faire Mode» möglich.
Konsumierende haben sich an sehr tiefe Preise gewöhnt, doch Existenzlöhne in Fabriken bedeuten nicht zwangsläufig höhere Verkaufspreise. Durschnittlich gehen nur 0.5-3% des Verkaufspreises an die NäherInnen. Selbst wenn dieser Lohn verdoppelt oder verdreifacht würde, führte das nur zu marginal höheren Lohnkosten..
KonsumentInnen haben sich an sehr tiefe Preise gewöhnt, doch Existenzlöhne in Fabriken bedeuten nicht zwangsläufig höhere Verkaufspreise. Denn nur 0.5-3% des Endverkaufspreises geht durchschnittlich als Lohn an die NäherInnen. D.h: an einem T-Shirt für CHF 10.- verdienen alle beteiligten ArbeiterInnen gerade mal 5-30 Rappen. Selbst wenn dieser Lohn verdoppelt oder verdreifacht wird, führt das nur zu marginal höheren Lohnkosten, die Modeunternehmen problemlos tragen könnten.
Angemessen für wen? Die grossen Modefirmen gehen meist dorthin, wo die Löhne besonders tief sind. Die Produktionsländer einer Region stehen in einem starken Wettbewerb miteinander. Daher sorgt der Markt nicht für angemessene, sondern für tiefe Löhne.
Der Markt sorgt nicht für angemessene, sondern tiefe Löhne. Diese sind ein Standortvorteil im globalen Wettbewerb. Weil viele Länder stark von den Exporteinnahmen aus der Bekleidungsindustrie abhängig sind, genügt die Androhung einer Produktionsverlagerung, damit Regierungen ihre Politik den Erwartungen der mächtigen Markenfirmen anpassen. 2013 betrugen die Umsätze von H&M und Inditex zusammen fast gleich viel wie das Bruttoinlandprodukt von Bulgarien und mehr als dreimal soviel wie jenes von Kambodscha. Markenfirmen dürfen dieses Machtgefälle nicht auszunutzen und müssen endlich einen Existenzlohn zahlen.